Warum ich nicht mehr Motorrad fahre

Für den Mai 2020 war bereits eine Tour geplant, nach Südtirol sollte es mal wieder gehen und von dort aus nach Slowenien/Kroatien oder alternativ nach Frankreich – je nach Wetterlage und verfügbaren Hotels in Slowenien. Die Hotels bis Südtirol waren bereits gebucht, aber dann kam die Corona-Pandemie, die speziell den Norden Italiens schwer getroffen hat … die Reise haben wir schlussendlich abgesagt, als Motorrad-Alternative gab es ein Wochenende Erzgebirge im Sommer. Und als weitere Urlaubs-Alternative ein paar Fahrrad-Reisen – Road-Trip mal anders.

Im selben Jahr gab es dann noch zwei Motorrad-Unfälle im Bekanntenkreis … beide unverschuldet, aber mit ausgiebigen Krankenhaus-Aufenthalten und gesundheitlichen Folgen, die auch nach einem Jahr noch nicht vollständig überwunden sind. Das hat mich dann schließlich dazu bewogen, intensiv darüber nachzudenken, ob das für mich noch das passende Hobby ist.

Man muss dazu sagen, dass für mich Motorradfahren mit Tourenfahren gleichzusetzen ist. Mich reizt es nicht, mir auf Brandenburger Straßen die Reifen eckig zu fahren und auch der Wochenend-Besuch an der “Spinner-Brücke” lässt keine Freude aufkommen.

Korsika 2017

Körperliche Betätigung

Tourenfahren ist anstrengend, obwohl man sich kaum körperlich betätigt. Man steigt nachmittags von der Maschine, ist KO und müsste sich trotzdem erstmal noch ein oder zwei Stunden bewegen. Häufig haben wir das auch gemacht, wenn wir früh genug in der Unterkunft waren. Oft war allerdings der Ruf des ersten Hefeweizens und des leckeren Abendessens lauter …

Auf einer Fahrrad-Tour hat man irgendwie ein besseres Gefühl, wenn man abends vom Bike steigt und sich nach der Dusche direkt ins Restaurant begibt.

Unfallgefahr

Auf meinen Touren hatte ich einige heftige Adrenalin-Momente: Das korsische Kräuterschwein, dass aus der Deckung kommt und 2 m vor mir noch die Straßenseite wechseln möchte … oder der Hirsch aus Südtirol, der aus dem Wald in vollem Galopp vor mir auf die Straße springt. Zu den Dingen, die man nicht selbst beeinflussen kann, kommen noch die eigenen Fahrfehler – ja auch die passieren.

Unterwegs habe ich teilweise schwere Unfälle gesehen, aber das sind alles Fremde, das kann man schnell gedanklich wegdrücken. Wenn es dann allerdings Menschen trifft, die man persönlich kennt und für gute Motorradfahrer hält, fällt das nicht mehr so leicht. Und mit jedem Kilometer steigt auch die Gefahr, dass es einen selbst mal erwischt … bisher hatte ich sehr viel Glück.

Motorrad-Klamotten

Der Stauraum auf Motorrad-Reisen ist sehr begrenzt und das gilt insbesondere, wenn man zu zweit auf der Maschine sitzt. Wenn ich eine Tagestour fahre, dann kann ich mir aussuchen, ob ich die Sommer-Kutte oder die Touren-Kluft anziehe oder vielleicht auch ganz zu Hause bleibe.

Auf eine Tour kann nur die Touren-Kluft mit. Die habe ich dann an, wenn es in den Alpen bei knapp über Null Grad den ganzen Tag wie aus Kübeln regnet und auch, wenn ich am Gardasee bei 39 Grad irgendwo im Stau stehe und nicht überholen kann. Auch einer Wanderung durch den Plitvicer Nationalpark oder auf den Monte Baldo macht in Motorrad-Klamotten mit Helm in der Hand nur begrenzt viel Spaß, wenn die Sonne brennt (ja, beides tatsächlich schon gemacht).

Wenn ich auf einer Fahrrad-Tour unterwegs bin und es sind sommerliche Temperaturen, dann sitze ich in Shorts, T-Shirt und Trekking-Sandalen (Wanderbadelatschen) auf dem Bike. Das ist ein echter Komfort-Sprung.

Wahrnehmung der Umwelt

Dieser Punkt ist mir erst richtig aufgefallen, nachdem ich mit Fahrradtouren begonnen habe. Beim Motorradfahren liegt der Focus immer zuerst auf der Straße und der Verkehrslage. Wenn man nicht ganz so zügig unterwegs ist, kann man neben dem vorbeifliegenden Asphalt-Band auch noch Eindrücke von der Landschaft erhaschen. Hier ist die Sozia klar im Vorteil.

Viele Dinge fliegen dann vorbei und man muss entscheiden, ob man irgendwo umdreht und nochmal zurückfährt, um in Ruhe zu schauen und vielleicht ein Foto zu machen. Mit dem Fahrrad kann ich fast überall und fast sofort anhalten.

Ein weiter wesentlicher Punkt ist, dass man mit dem Motorrad nicht in die vielen besonders schönen Ecken kommt, die man mit dem Fahrrad völlig problemlos erkunden kann.

Fehlende Ziele

Hier werden einige vielleicht den Kopf schütteln, aber uns sind tatsächlich inzwischen die neuen spannenden Ziele für Motorrad-Reisen ausgegangen – ein echtes Luxus-Problem. Aber wir haben eigentlich alle Regionen abgefahren, die man in zwei bis drei Wochen erreichen kann und in denen auch ein gewisses Maß an Fahrspaß aufkommt. Alpen, Pyrenäen, Korsika, Kroatien, Schottland, Hohe Tatra, da kommt einiges zusammen.

Die skandinavischen Länder haben wir bewusst von der Liste gestrichen, da es für uns zu einem Motorrad-Urlaub gehört, abends gut zu essen und einen Wein zu trinken und nachts in einem richtigen Bett zu schlafen. Beides bringt das Reise-Budget in skandinavischen Ländern schnell ans Limit. Mit dem Auto oder Wohnmobil ist das eine andere Geschichte.

Verkehr

Ich habe den Eindruck, dass es in jedem Jahr auf den Straßen deutlich voller geworden ist. Ein Plus von 600.000 Autos pro Jahr allein in Deutschland macht sich bemerkbar. Man muss mittlerweile schon sehr weit ins “Off” fahren, um wirklich ungehindert nach Lust und Laune fahren zu können. In einigen Teilen Frankreichs funktioniert das noch ganz gut, in Deutschland eher selten.

Spätestens bei 30 °C im Stau und ohne Überholmöglichkeit ist dann der Spaß vorbei, wenn man in seiner Kluft steckt und der Schweiß sich gefühlt langsam in den Stiefeln sammelt.

Leider wird auch der Fahrstil vielen Mitmenschen immer aggressiver und mit dem Motorrad hat man leider keine Knautschzone …

Umweltschutz und Kosten

Nicht ganz zu vernachlässigen ist auch dieser letzte Punkt – rechne ich meine Touren zusammen, bin ich mehrfach um die Erde gefahren und habe dafür einige Liter Sprit verbrannt. Auf der Kostenseite kommen dann noch die regelmäßige Wartung, Reifen, Bekleidung, Helm, usw. dazu. Insgesamt also ein kostenintensives Hobby mit keiner guten Umweltbilanz.